Nutzung zu eigenen Wohnzwecken – Steuerfreiheit trotz Veräußerung innerhalb von 10 Jahren

Die Veräußerung von Grundstücken, die im steuerlichen Privatvermögen gehalten werden, ist als sog. privates Veräußerungsgeschäft (§ 23 EStG) steuerpflichtig, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Erst nach Ablauf von 10 Jahren kann also im Regelfall steuerfrei veräußert werden.

Entgegen diesem Grundsatz ist die Veräußerung von Grundstücken auch innerhalb von 10 Jahren steuerfrei, wenn

  • das betreffende Grundstück im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder
  • im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

Dem Tatbestandsmerkmal der „Nutzung zu eigenen Wohnzecken“ kommt also erhebliche Bedeutung zu. Es entscheidet im Zweifel darüber, ob die Veräußerung steuerpflichtig oder steuerfrei ist.

Es verwundert deshalb nicht, dass sich die Rechtsprechung immer wieder mit dieser Frage zu befassen hat.

Bereits in 2017 hat der BFH entschieden, dass ein Gebäude auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen, und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden, können deshalb unter den genannten Voraussetzungen auch innerhalb der 10-Jahresfrist steuerfrei veräußert werden (BFH vom 27.6.2017 – IX R 37/16).

Dies erweitert den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung erheblich, weil, anders als erbschaftsteuerlich, wo auf den Begriff des Familienheims abgestellt wird (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG), auch Ferienwohnungen steuerbegünstigt sind.

Gerade in jüngerer Zeit sind aber auch Tendenzen zu erkennen, die darauf zielen, den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung einzuengen. Hervorzuheben sind insbesondere folgende Entscheidungen:

  • Die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung an Kinder, für die kein Anspruch auf Kindergeld mehr besteht, gilt nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken (BFH vom 24.5.2022 – XI R 28/21);
  • Eine Nutzung einer Immobilie zu eigenen Wohnzwecken liegt auch dann nicht vor, wenn der Eigentümer die Immobilie aufgrund einer Scheidungsfolgenvereinbarung seiner ehemaligen Ehefrau und den gemeinsamen Kindern überlässt (FG Münster vom 19.5.2022 – 8 K 19/20 E, Revision eingelegt beim BFH unter Az. XI R 10/22).

Im Einzelfall ist daher sehr sorgfältig zu prüfen, ob die Veräußerung einer Immobilie innerhalb der 10-Jahresfrist aufgrund Nutzung zu eigenen Wohnzwecken einkommensteuerfrei ist oder nicht.

Geschrieben von:

Monika Hansen

Prokuristin mensching plus Steuerberatungsgesellschaft mbH